Machen wir eine kleine Zeitreise zurück ins Jahr 2015, in ein Jahr voller Konflikte, Spannungen und Brüche. Gewalt, terroristische Anschläge und Kriege bestimmten viele Nachrichten. Weltweit waren damals Flüchtlingsströme unterwegs, die in besonderer Weise Europa und Deutschland erreichten. „Wir schaffen das“, versprach Angela Merkel. Dass es dann auf globaler Ebene tatsächlich positive Prozesse und Entwicklungen gab, zeigt, welches Potenzial zukunftsorientierte, inklusiv-solidarische und innovative Kooperationen haben: Da war zum einen der Weltgipfel der Vereinten Nationen im September, bei dem die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) beschlossen wurden. Zum anderen die Pariser Klimakonferenz im Dezember, bei der die internationale Staatengemeinschaft in einem völkerrechtlichen Vertrag vereinbarte, die globale Erwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Holistischer Ansatz: Alle werden gebraucht
Man lag sich in New York und zweieinhalb Monate später in Paris vor Freude in den Armen. Beide Ereignisse waren als so nicht möglich vorausgesagt worden. Klar ist: Ohne die SDGs hätte es seitens der großen Zahl der Entwicklungsländer für das Pariser Klimaabkommen keine Zustimmung gegeben. Klar ist aber auch, dass die globalen Entwicklungsziele nur so viel wert sind, wie von ihnen tatsächlich bis 2030 umgesetzt sein wird.
Das Besondere an den SDGs ist ganz sicher ihre auf alle Staaten ausgerichtete Universalität, der ausdrücklich auf dem Leitsatz „Leave No One Behind“ basierende Ansatz und das Grundverständnis, dass die 17 Ziele tatsächlich gleichzeitig angegangen werden müssen.
Zur Messung der SDGs wurde auf UN-Ebene ein Set von 231 weltweit vergleichbaren Indikatoren entwickelt, die auf Basis nationaler Daten gefüllt werden. Daten für Deutschland sowie beschreibende Informationen zu den Indikatoren werden durch das Statistische Bundesamt zur Verfügung gestellt. Ein Blick lohnt sich.
Die 2030 Agenda, die die SDGs enthält, hat natürlich auch ihre Widersprüche und Unzulänglichkeiten. Entscheidend ist aber, dass ein „Weiter so wie bisher“, ein „business as usual“ nicht akzeptierbar ist. Ein Wandel, eine Wende, eine Transformation ist unbedingt erforderlich.
Insofern ist das übergreifende Thema des diesjährigen Stiftungstages genau richtig. Wir sollten uns allerdings davor hüten, nur ein einziges Themenfeld mit der Transformation zu verbinden. Digitalisierung, Wirtschaftskrise, gesellschaftliche Spaltung – die Welt erlebt eben vielerlei Krisen und tiefgreifende Veränderungen gleichzeitig. Und mit ihr auch der Stiftungssektor.
Ernüchternde Bilanz zur Halbzeit der SDGs
Seit dem Beschluss der 2030 Agenda im Jahr 2015 findet ein SDG-Gipfel alle vier Jahre im Rahmen der Generalversammlung der Vereinten Nationen statt. Ernüchternd: Nur 12 Prozent der Ziele für nachhaltige Entwicklung waren 2023 zur Halbzeit der SDGs auf Kurs. Der daher für verstärkte gemeinsamen Anstrengungen bis 2030 vorgesehene Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen wird Ende September 2024 in New York stattfinden. Er soll den dringend benötigten Anschub liefern, um die 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung tatsächlich umzusetzen. Dieser Zukunftsgipfel ist sicherlich auch ein Lackmustest: Im bisherigen Vorbereitungsprozess zeigt sich mehr und mehr, welche Länder für welche internationale Ordnung stehen. Das könnte helfen zu identifizieren, wer Interesse haben könnte, im Falle eines Falles die „Allianz für den Multilateralismus“ wiederzubeleben. Es gibt übrigens deutliche Stimmen dafür, die SDGs für die Zeit nach 2030 nur zu adjustieren, also nicht komplett neu zu verhandeln.
Die für wenige Tage nach dem Zukunftsgipfel erstmals angesetzte Hamburg Sustainability Conference am 7. und 8. Oktober 2024 in der Hansestadt Hamburg soll eine Chance darstellen, die Bälle des Zukunftsgipfels aufzugreifen, sie weiter zu verwandeln und wo möglich zu verstärken. Auch Defizite in der Debatte müssen hier thematisiert werden. Gerade auch deutsche Stiftungen sollten sich mit einbringen.
Die Rolle der Philanthropie
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat sich immer wieder – etwa bei seinen Jahrestagungen – um Aspekte der nachhaltigen Entwicklung gekümmert. Im europäischen Kontext ist der Dachverband Philanthropy Europe Association (Philea) hier aktiv und bietet ebenso wie die internationale Philanthropie-Vereinigung WINGS auf weltweiter Ebene immer wieder Orientierungen für mehr SDG-Implementierung. International konnte seit dem G20-Gipfel in Deutschland 2017 auch die internationale Stiftungsplattform Foundations 20 wichtige Akzente setzen. Die ca. 80 beteiligten Stiftungen fokussieren sich hinsichtlich der besonderen Verantwortung der G20 zwar gemeinsam auf das Klimathema, tun dies aber ausdrücklich unter dem Dach der SDGs (in den 17 Zielen sind Ziel 7 „Bezahlbare und saubere Energie“ und Ziel 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ enthalten).
Einige deutsche Stiftungen sind hinsichtlich der SDGs schon sehr weit auf dem Weg, andere gehen erste Schritte oder beteiligen sich an Netzwerken. Hier nur ein paar Beispiele: Die Stiftung Mercator ist seit vielen Jahren im Klimabereich mit Partnerprojekten sowie der Förderung von neuen Thinktanks wie der Agora Energiewende unterwegs und tritt ein für ein geeintes, friedliches Europa – auch und besonders in Zeiten, in denen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Menschenrechte mit großer Brutalität verletzt werden. Die Robert Bosch Stiftung hat ihr Programm umgestellt, um Klima als Querschnittsthema in ihrer gesamten Stiftungsarbeit zu berücksichtigen, insbesondere durch Förderung in den Bereichen Gesundheit, Bildung und globale Fragen für eine gerechte und nachhaltige Zukunft. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt als größte Umweltstiftung Europas hat nachhaltiges Wirtschaften, Innovation, den Schutz der Umwelt unter besonderer Berücksichtigung der mittelständischen Wirtschaft im Zentrum. Die gemeinnützige Michael Otto Stiftung, Mehrheitseigentümerin der Otto Group, gehört zu den Initiatoren der bereits erwähnten Hamburg Sustainability Conference. Die seit August 2023 neu aufgestellte BMW Foundation Herbert Quandt stellt auf ihrer Homepage fest: „Durch wirtschaftliche Transformation stärken wir Gesellschaften und Demokratien und legen den Grundstein für eine gerechtere und lebenswertere Zukunft.“ Auch die gemeinnützige Siemens Stiftung teilt mit, dass sie sich für nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung engagiere. Und die Stiftung Zukunftsfähigkeit verweist in ihrem Handeln und der Präambel zu ihrer Satzung ausdrücklich auf die 2030 Agenda der Vereinten Nationen. Diese Reihe könnte fortgesetzt werden.
Ohne ausreichende Finanzierung geht gar nichts
Eine SDG-gemäße Transformation (und darin die Bekämpfung der Klimakrise) benötigt eine umfangreiche und moderne Finanzierung. In Zukunftsfähigkeit muss investiert werden, sonst werden die Kosten für die nachfolgenden Generationen nicht mehr zu stemmen sein – und auch der Zusammenhalt von Gesellschaften ist nicht mehr zu gewährleisten. Jeder fälschlich gesparte Euro heute wird zukünftige Generationen teuer zu stehen kommen und unsere Lebensgrundlage, eine gesunde Erde, massiv beeinträchtigen.
Dazu ein Hinweis für die besondere deutsche Debatte: Die Zukunftsrestriktionen einer kurzsichtigen Schuldenbremse müssen aus unserer Sicht beseitigt werden.
Disclaimer: Dieser Artikel erschien zuerst am 29.04.2024 in der Stiftungswelt:
https://www.stiftungswelt.de/dossier/17-entwicklungsziele-fuer-alle-staaten-gelingt-die-notwendige-umsetzung-bis-2030.html